Samstag, 6. September 2008

Hartz IV (Hartz 4) und Kultur: Regelsätze zu hoch - kürzen

Eine Studie zweier Wirtschaftswissenschaftler sorgt derzeit für Furore: die Wissenschaftler der der TU Chemnitz haben auf der Grundlage politischer Schwerpunkt errechnet, daß der Hartz IV (Hartz 4) Regelsatz von 345 (West) und 331 (Ost) unter Berücksichtigung der politischen Absichten zu hoch ist (die Zahlen beziehen sich auf den Untersuchungszeitraum 206: Derzeit liegt der Hartz 4 Satz bei 351 Euro).
Die Wissenschaftler fordern keine Kürzung, sondern haben sich lediglich die politischen Absichten der Parteien angesehen und daraus einen neuen Hartz IV Satz gebastelt: 132 soll der eigentliche Bedarf sein. Bedenkt man, daß die Politik Maßnahmen gegen das Rauchen und für die Gesundheit führt, dann muß man davon ausgehen, daß Rauchen nicht vom Staat finanziert werden kann. Ist aber Tabak in der Berechnung des Regelsatzes enthalten, dann muß man Tabak herausrechnen - das ist die Logik, die in der Untersuchung der Wirtschaftswissenschaftler der TU Chemnitz steckt.
Sagt also die Politik: Die Leute sollen nicht mehr rauchen, dann darf man Ausgaben für Tabak natürlich nicht in einem Hartz IV Regelsatz zugestehen.
Ausgaben für Tabak sind in der Bedarfsberechnung für "Freizeit, Unterhaltung und Kultur" enthalten. Je nach politischer Absicht, so die Studie, kann dieser Bereich nur 1 Euro umfassen. Das bedeutet, daß ein Bedürftiger einen Euro im Monat für kulturelle Aktivitäten zur Verfügung hätte.
Selbst bei dem angenommenen Höchstsatz von 46 Euro (derzeit nicht im Gespräch, sondern rein theoretisch) ist für Kultur im Hartz IV Bezug nicht viel drin: Was kostet eine Theaterkarte, was kostet ein Kinobesuch, was kosten Ausstellungen. Kunst und Kultur ist bei Themen-Ausstellungen besonders teuer. Mögen die lokalen Heimat-Museen (oder auch Museum für "Orts-Geschichte", "Ur- und Ortsgeschichte" oder "Stadtmuseum" genannt) kostenlosen Eintritt anbieten, spätestens eine Sonderausstellung kostet mindestens 5 Euro - in kleinen Städten.
Bedenkt man, daß viele Künstler selbst durch Hartz IV unterstützt werden, weil sie mit ihrer Kunst zwar zum kulturellen Geschehen beitragen, sei es auf der Pillnitzer Schloßnacht als Gaukler oder Musiker, oder als freiberuflicher Maler, dann hätten diese Künstler auch nur einen Euro um sich a) fortzubilden und b) Material anzuschaffen, um ihre Kunst auszuüben und dadurch aus dem Hartz IV Bezug herauszukommen.
Bereits heute sieht der Hartz IV Regelsatz keine Unterstützung zu freiberuflichen Tätigkeiten vor. Der Hartz IV Empfänger wird als Hilfsarbeiter gesehen, von dem keine selbständigen Arbeiten zugetraut werden - aber verlangt werden, denn es gilt das Prinzip (fördern)-und-FORDERN.
Die Studie selbst ist ein rein theoretisches und akademisches Zahlenspiel, das belegt, das man mit Zahlen alles machen kann, denn dafür sind Zahlen da. Zahlen stellen keine absolute Wirklichkeit dar, sondern bedürfen immer einer situationsspezifischen Zuordung oder Definition. Das kann man der Studie nicht zum Vorwurf machen.
Die Studie ist nur aus einem Grund unwissenschaftlich und fehlerhaft und daher kaum zu gebrauchen: Sie gesteht Hartz IV Empfängern Tabak und Alkohl Konsum zu: In Höhe von 14 bis 46 Euro - je nach der politischen Absicht. Denn der Tabak und Alkohol Konsum fällt in den Bereich "Freizeit, Unterhaltung und Kultur". Nur sind Raucher zumeist süchtig: Die kommen nicht mit 46 Euro im Monat aus. Also bezieht man entweder die Sucht mit ein, oder man muß etwa 100 Euro für Suchtverhalten einkalulieren. Denn süchtige Raucher verbrauchen gut eine Schachtel Zigaretten am Tag (=4 Euro), das sind im Monat gut 30 Schachteln (=120 Euro). Geht man davon aus, daß rauchende Hartz IV Empfänger nur "rollen", dann kommt man vielleicht auf etwa 100 Euro. Also entweder man gesteht die Sucht den Hartz IV Empfängern zu oder nicht.
Denn "etwas Rauchen" gibt es nicht.
Und wenn eine Studie einen derartigen Gedankenfehler aufweist, dann muß man sich fragen, was für versteckte Fehler noch in der Studie der TU Chemnitz zu finden wären.

Meldungen der Süddeutschen-Online zum Thema:
Empörung über Hartz IV Studie
Provokante Hartz IV Studie
Kanzlerin gegen Hartz IV Kürzung

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